06. Okt 2022

HOWOGE stellt Pilotprojekt zur Dachaufstockung von Plattenbauten fertig – Klara Geywitz und Franziska Giffey unterstützen das Projekt

Berlin, 05.10.2022. Allein die vier- bis sechsgeschossigen Plattenbauten im Bestand der Berliner HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH verfügen über mehr als 320.000 Quadratmeter Dachfläche. Platz für mehrere Tausend Wohnungen? Diese Frage hat sich das landeseigene Unternehmen gestellt und ein Pilotprojekt gestartet, das die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von Dachaufstockungen auf dem Plattenbautyp WBS 70 / Typ Berlin untersucht. Innerhalb von zwei Pilotaufstockungen entstanden insgesamt 50 Neubauwohnungen, für die weder zusätzliche Grundstücksressourcen erforderlich waren noch zusätzlich Flächen versiegelt wurden. Die Hälfte der Wohnungen ist sozial gefördert und wird zu Einstiegsmieten ab 6,50 pro Quadratmeter vermietet.

Anlässlich der Fertigstellung der ersten Dachaufstockung in Berlin-Buch zog die HOWOGE in Anwesenheit von Bundesbauministerin Klara Geywitz und der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, eine erste Bilanz und sprach über Herausforderungen und Chancen von Dachaufstockungen im Bestand. „320.000 Quadratmeter Dachfläche allein bei unseren Fünf- und Sechsgeschossern klingt zunächst vielversprechend“, sagt HOWOGE-Geschäftsführer Ulrich Schiller. „Allerdings haben unsere Untersuchungen gezeigt, dass Dachaufstockungen sehr komplex sind und sich nicht auf jedem Gebäude und an jedem Standort realisieren lassen. Dabei spielen u.a. der Städtebau und der Bautyp eine große Rolle. Gleichwohl haben sie das Potenzial das konventionelle Bauen sinnvoll zu ergänzen und einen wichtigen Beitrag zur Schaffung neuen Wohnraums zu leisten.“ Ein Beitrag, der angesichts steigender Grundstückspreise, knapper werdenden Baulands und der Forderung nach ressourcensparendem Bauen dringend nötig ist, wie die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey bestätigt: „Wir müssen die Wohnungsbaupotenziale, die Berlin an vielen Stellen noch hat, nutzen. Das gilt besonders für Dachaufstockungen. Wir können so dringend benötigte Wohnungen für die Berlinerinnen und Berliner schaffen und dabei ressourcenschonend nachverdichten, weil keine zusätzlichen Bodenflächen notwendig sind. Das hat einen doppelten Mehrwert – es ist gut für die Menschen und die Umwelt. Ich begrüße es sehr, dass die HOWOGE als Berliner Wohnungsbaugesellschaft mit innovativen Projekten vorangeht, um Potenziale des Wohnens und Bauens zu heben.“

Bauvorhaben und -ablauf

Für die Dachaufstockungen ausgewählt wurden ein Fünfgeschosser in der Franz-Schmidt-Straße 11-17 mit vier Hauseingängen in Berlin-Buch und ein Sechsgeschosser in der Seefelder Straße 34-46 mit sieben Hauseingängen in Berlin-Hohenschönhausen. Während das Haus in Hohenschönhausen um zwei Geschosse und 28 Wohnungen aufgestockt wurde, sind es in Buch drei Etagen und 22 Wohnungen. Beide Projekte entstanden als Typenhaus in ökologischer Holz-Hybridbauweise. „Hier in Buch werden bald in 22 Wohnungen Singles, Familien und WGs einziehen. Menschen, die dringend Wohnraum brauchen, finden hier ein neues Zuhause und eine gute, schon vorhandene Nachbarschaft“, sagt Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. „Die HOWOGE hat nicht nur das mit diesem Nachverdichtungsprojekt geschafft, sie hat auch von Anfang an alle Kriterien der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Mit Holz als Baumaterial wurde ein Material gewählt, dass CO2 speichert und lange haltbar ist und sogar wiederverwertet werden kann. Zudem ist Holz ein nachwachsender Rohstoff. Boden wächst nicht nach, wenn er einmal veräußert ist. Deshalb hat die HOWOGE klug vorgemacht, was u.a. mit den alten WBS70-Häusern der DDR wunderbar funktioniert: durch Dachaufbau Fläche sparen. In Deutschland entstehen immer mehr Großfabriken, die Holzmodule für das Wohnen herstellen. Wir sind auf dem richtigen Weg. In Buch und Hohenschönhausen stehen zwei Beispiele, die zeigen: Nachverdichtung ist Lebensqualität“, so Klara Geywitz weiter.

Der Start für die Planungen erfolgte im September 2018. Die Bauarbeiten begannen Ende 2020 / Anfang 2021. Die Franz-Schmidt-Straße wird im Oktober 2022 fertiggestellt und befindet sich bereits in der Vermietung. Die Seefelder Straße folgt im November dieses Jahres.

Der entscheidende Vorteil von Holz für die Dachaufstockung ist sein geringes Gewicht. Trotzdem sind aufwändige Fundamentverstärkungen erforderlich, um die Last besser zu verteilen. In beiden Bauvorhaben wurde eine 20-25 Zentimeter hohe Bodenplatte im Keller aufgebaut, für die mittels Bohrungen in den Außenwänden ein entsprechendes Stahlgeflecht mit dem vorhandenen Boden erstellt wurde.

Im Dachbereich wurde das Drempelgeschoss vollständig entfernt, nur die letzte Geschossdecke blieb erhalten. „Da die Aufstockung im bewohnten Zustand erfolgte, haben wir unmittelbar nach den Abbrucharbeiten eine Notabdichtung aufgebracht. Anschließend wurden die vorhandenen Medienstränge weitergeführt und für den späteren Anschluss der Aufstockung vorbereitet“, erklärt Ragnar Ruhle, Geschäftsführer B&O Bau und Gebäudetechnik GmbH & Co. KG. „Erst dann konnten wir mit der eigentlichen Dachaufstockung und dem Stellen der Wände beginnen.“

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil der Dachaufstockung ist zudem die barrierefreie Erschließung der Neubauwohnungen. Hier hat die HOWOGE zwei unterschiedliche Szenarien geprüft.

So erhielt die Seefelder Straße zwei vorgesetzte Aufzüge, die lediglich eine barrierefreie Erschließung der Neubauwohnungen ermöglichen, da der Fahrstuhl aus baulichen Gründen nur auf den Zwischenebenen der Etagen hält. In der Franz-Schmidt-Straße hingegen wurde eines der bestehenden Treppenhäuser komplett ersetzt, sodass der neue Aufzug auf der jeweiligen Wohnungsebene hält und auch für die Bestandsmieter:innen des betreffenden Aufgangs eine barrierefreie Erreichbarkeit gewährleistet ist. Damit dies möglich ist, mussten die zehn Mietparteien des Aufgangs für neun Wochen in einem Ausweichquartier untergebracht werden.

Herausforderungen und Erkenntnisse

Im Rahmen des Pilotprojektes wurden insbesondere die Themen Brandschutz, Gebäudestatik, barrierefreie Erschließung, die Anbindung an den Bestand sowie die Wirtschaftlichkeit untersucht.

Bausubstanz

Trotz des gleichen Bautyps hat sich gezeigt, dass die untersuchten Gebäude einen unterschiedlichen Baustandard aufweisen. Geschuldet ist dies zum einen den verschiedenen Ausbau- und Einsparstufen (u.a. unterschiedliche Betonhärten, Keller- und Raumführung, Verrohrung) zum Zeitpunkt der Errichtung. Aber auch die Beschaffenheit des Bodens wirkt sich auf den Bestandsbau aus.

Jede Dachaufstockung stellt einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in die Substanz des Gebäudes dar. Daher sind die Gebäude für weitere geplante Vorhaben ganzheitlicher und tiefergehender zu betrachten, um mögliche Synergieeffekte zwischen Dachaufstockung und Bestand besser nutzen zu können. Das gilt insbesondere für die Fassade sowie den Anschluss an Steigleitungen, Elektrik und Lüftung.

Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit im Projekt zu erreichen ist eine große Herausforderung. In der ursprünglichen Planung sollte die Aufstockung komplett in Holz erfolgen. Aufgrund des Preisanstiegs des Baustoffs mussten beide Bauvorhaben in Holzhybrid umgeplant werden. Neben dem Baustoff spielt die Geschossigkeit eine wichtige Rolle für die Wirtschaftlichkeit. So sollte eine Dachaufstockung mindestens zweigeschossig errichtet werden. Von einer eingeschossigen Aufstockung ist in der Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung abzuraten, da zu wenig Wohnfläche im Verhältnis zu den Baukosten entsteht. „Auch wenn es statisch möglich wäre. Die Hochhausgrenze von 23,5 Metern bzw. acht Geschossen sollte nicht überschritten werden“, sagt Ulrich Schiller. „Die Folge sind erhebliche Brandschutzauflagen, die im Bestand schwer umsetzbar sind und sich in der Gesamtbetrachtung wirtschaftlich kaum darstellen lassen.“ Letztendlich ist Wirtschaftlichkeit aber ein Wechselspiel aus Einnahmen und Ausgaben, sodass die Ausgestaltung der Mieten hier eine maßgebliche Rolle spielt.

Hinsichtlich der barrierefreien Erschließung hat sich gezeigt, dass die Variante in der Franz-Schmidt-Straße nur unwesentlich teurer und aufgrund des hohen Mehrwerts für die Bestandsmieter:innen zu präferieren ist.  

Bauzeit

Ziel ist es, die u.a. durch die geopolitische Lage vergleichsweise lange Bauzeit der Pilotprojekte von rund 20 Monaten auf elf Monate zu verkürzen. „Mit zunehmender Erfahrung und auch einer stetigen Auslastung in der Produktion der Fertigelemente, lässt sich der Zeitplan optimieren und auch straffen“, sagt Ragnar Ruhle. Auch eine Steigerung des Vorfertigungsgrades wirke sich positiv auf die Bauzeit, aber auch auf die Wirtschaftlichkeit aus.     

Fazit und Ausblick

Besonders vorteilhaft ist die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum innerhalb einer bestehenden Infrastruktur ohne zusätzliche Versiegelung weiterer Flächen. Gleichzeitig kann der Verwaltungsaufwand in der Bewirtschaftung optimiert werden. Insbesondere letzteres führt zu einer Reduzierung von Betriebskosten für alle im Objekt wohnenden Mietparteien. Die Aufwertung des Bestandsgebäudes und eine Verbesserung des Wohnumfelds durch neue Spiel- und Erholungsflächen, mehr Barrierefreiheit sowie Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zählen zu den Vorteilen einer Dachaufstockung.

Dem entgegen steht, dass eine Dachaufstockung im Vergleich zum konventionellen Bauen teurer ist. „Die finale Auswertung der Kosten liegt noch nicht vor. Wir können aber schon jetzt sagen, dass die Baukosten im Vergleich zu einem konventionellen Holz-Hybridbau deutlich höher liegen“, sagt Ulrich Schiller. Die hohen Baukosten in Kombination mit den in der Kooperationsvereinbarung mit dem Berliner Senat vorgegebenen Mieten, ließen unter den untersuchten Voraussetzungen keine Wirtschaftlichkeit zu. „Hier müsste seitens der Politik nachgesteuert werden“, so Ulrich Schiller weiter. „In der Franz-Schmidt-Straße liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete im Bestand bei 5,26 pro Quadratmeter. Hier sollte das gesamte Gebäude in die Betrachtung einbezogen und die Mietengestaltung des Neubaus entsprechend angepasst werden.“

Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist darüber hinaus die Aufstockung im bewohnten Zustand. Für die Mieterinnen und Mieter sind die Arbeiten eine hohe Belastung. Sie gilt es in ihrem Alltag so gut es geht zu unterstützen und für zukünftige Projekte noch intensiver aufzuklären. Trotz aller Herausforderungen zieht Ulrich Schiller eine positive Bilanz: „Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir weitere Dachaufstockungen aus der Perspektive des Bestandsgebäudes denken. Ausschlaggebend ist dann neben den städtebaulichen Aspekten der Primärenergieverbrauch des Gebäudes. Die Dachaufstockung erfolgt im Rahmen einer energetischen Sanierung und ist Teil unserer Klimastrategie.“ Insgesamt hat die HOWOGE Potenzial für 2.000 weitere Wohnungen auf ihren WBS 70-Platten ausgemacht. Zwei weitere Projekte befinden sich bereits in konkreter Planung, finden aber derzeit keine Zustimmung bei den Planungsbehörden, da Bauvorhaben in geschlossen Nachbarschaften aktuell kritisch gesehen werden.

Über die HOWOGE

Die HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH ist eines der sechs kommunalen Wohnungsunternehmen des Landes Berlin. Mit einem eigenen Wohnungsbestand von rund 74.500 Wohnungen (Stand 30.06.2022) gehört das Unternehmen zu den größten Vermietern deutschlandweit. Die HOWOGE will ihr Wohnungsportfolio insbesondere durch Neubau mittel- bis langfristig auf rund 100.000 Wohnungen erweitern. Als Teil der Berliner Schulbauoffensive übernimmt die HOWOGE zudem für das Land Berlin Neubauten und Großsanierungen von Schulen.


„Wir gestalten das Berlin der Zukunft lebenswert. Mehr als gewohnt.

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